Internationale Konferenz 2024 „Gemeinsam gegen Arbeitsausbeutung –
Gute Arbeit in Europa stärken“
Die diesjährige europäische Konferenz der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichbehandlung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung fand am 08. November 2024 unter dem Titel „Gemeinsam gegen Arbeitsausbeutung – Gute Arbeit in Europa stärken“ im Tagungswerk Berlin statt. Die ganztägige Veranstaltung stieß mit 175 Teilnehmenden vor Ort auf große Resonanz.
In der EU können Bürger*innen frei ihren Arbeitsplatz wählen und müssen im Beschäftigungsland gleich behandelt werden. Diese Arbeitnehmerfreizügigkeit, ein Grundrecht und zentraler Grundpfeiler der EU, birgt jedoch das Risiko der Arbeitsausbeutung, besonders für Bürger*innen aus osteuropäischen Ländern. Auch in Deutschland und Berlin sind ausbeuterische Arbeitsbedingungen verbreitet, die grundlegende Arbeitsrechte wie Mindestlohn und Kündigungsschutz unterlaufen. Sprach- und Rechtsbarrieren sowie soziale Isolation erschweren es Betroffenen, ihre Rechte einzufordern. Um effektive Maßnahmen gegen Arbeitsausbeutung zu fördern, hat die für Arbeit zuständige Senatsverwaltung zu einer internationalen Konferenz eingeladen, bei der Politik, Wissenschaft und Praxis sich über Schutzmaßnahmen und Lösungsansätze austauschen konnten.
Eröffnung der Konferenz und Keynote mit anschließendem Gespräch
Nach der Eröffnung der Konferenz durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin Kai Wegner und die Staatssekretärin für Arbeit und Gleichstellung Micha Klapp, die den Berliner Einsatz zur Einrichtung einer Betreuungs- und Unterbringungsstelle für Betroffene der Arbeitsausbeutung hervorhob, lieferte Dr. Jan Cremers, Experte im Verwaltungsrat der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) den inhaltlichen Auftakt der Veranstaltung. In seiner Keynote führte er in das Problem der Arbeitsausbeutung auf europäischer Ebene aus wissenschaftlicher Sicht ein. Dabei wies er auf verschiedene Formen der Arbeitsausbeutung und strukturelle Probleme hin, die Arbeitsausbeutung und die systematische Verletzung von Arbeitsrechten erleichtern. Konkret nannte Dr. Cremers u. a. unregulierte Intermediäre bei der Anwerbung von Arbeitskräften sowie fehlende grenzüberschreitende Regelungen zu Subunternehmerketten.
Im anschließenden Gespräch mit Gaby Bischoff (MdEP) wurde diskutiert, wie die EU den angesprochenen Problemen begegnen sollte und vor welchen Herausforderungen sie hierbei steht. Dabei wurde auch die große Bedeutung des Themas auf europäischer Ebene deutlich. „Das Europäische Parlament war immer – und zwar fraktionsübergreifend – ein Treiber für Gute Arbeit“, so Gaby Bischoff. Sie betonte zudem die Notwendigkeit der Regulierung von Subunternehmerketten. Zu den bürokratischen Schwierigkeiten, vor denen die Strafverfolgungsbehörden bei der Ermittlung zu Arbeitsausbeutung stehen, stellte sie eine Anhörung im Europäischen Parlament in Aussicht.
Betroffenenperspektive
In einem Gespräch mit der Moderatorin Dr. Julia Kropf sprachen Kateryna Danilova (Europäischer Verein für Wanderarbeiterfragen e.V. & Faire Mobilität), Sascha Lübbe (Journalist und Autor des Buches „Ganz unten im System“) und Alia Schwelling (Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit (BEMA) über die Erfahrungen von Betroffenen und die strukturellen Probleme, die zu Ausbeutung führen. Es wurde eindrücklich die Perspektive von Betroffenen von Arbeitsausbeutung dargestellt, wobei sowohl aus der Beratungspraxis als auch aus der journalistischen Recherche deutlich wurde, dass es grundlegender Änderungen bedarf, um Arbeitsausbeutung nachhaltig zu begegnen – etwa stärkerer Regulierung, aber auch vermehrter Kontrollen. Hervorgehoben wurde zudem die Notwendigkeit aufsuchender Beratung und frühzeitiger Informationen über Risiken, aber auch Rechte, bereits im Herkunftsland.
Paneldiskussion: Gemeinsam gegen Arbeitsausbeutung – für faire und menschenwürdige Arbeit
Die anschließende hochrangig besetzte Panel-Diskussion mit Dr. Kari Johnstone (Sonderbeauftragte der OSZE), Staatssekretärin Lilian Tschan (BMAS), Dr. Cosmin Boiangiu (Exekutivdirektor der ELA), Staatssekretärin Micha Klapp (SenASGIVA) und Martin Oelz (ILO) adressierte die unterschiedlichen Beiträge, die aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft geleistet werden sollten, um die Situation für Beschäftigte zu verbessern. Dabei wurden vor allem auch nationale und europäische bzw. internationale Herausforderungen beleuchtet. Betont wurden u. a. die Aspekte Informationsvermittlung und Aufklärung, europaweite Inspektionen sowie die Problematik der Rechtsdurchsetzung. Einigkeit bestand darin, dass vor allem die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure sowie die Schaffung von öffentlichem Bewusstsein zentral für die Bekämpfung von Arbeitsausbeutung sind.
Labs und Reflexion der Ergebnisse mit Sascha Lübbe
Nach dem gemeinsamen Mittagessen diskutierten Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen verschiedene Schwerpunktthemen in insgesamt vier Labs. Folgende Themen wurden beleuchtet:
- Lab 1: „Welche Herausforderungen, aber auch guten Praxisbeispiele gibt es in Europa?“
- Lab 2: „Wie gelingt effektiver Opferschutz durch gute Beratung?“
- Lab 3: „Wie wirken Strafverfolgung und Vermögensabschöpfung?“
- Lab 4: „Wie müssen Schutzunterkünfte für Betroffene ausgestaltet sein?“
Die Ergebnisse der Labs wurden im Anschluss im Gespräch zwischen der Moderatorin Dr. Julia Kropf und dem Journalisten Sascha Lübbe präsentiert und reflektiert.
Paneldiskussion: Perspektiven und nächste Schritte für einen fairen Arbeitsmarkt in Europa und Abschluss
Im abschließenden Panel sprachen Katja Karger (DGB Berlin-Brandenburg), Margrit Zauner (SenASGIVA), Stefan Olsson (Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der Europäischen Kommission), Andreas Schulz (UVB Berlin und Brandenburg) und Martin Weiland (BMAS) über konkrete Lösungsansätze der an diesem Tag diskutierten Probleme der Arbeitsausbeutung. Dabei wurde deutlich, dass im Grunde auf jeder Ebene (regional, national und europäisch) Handlungsbedarf besteht, um Arbeitsausbeutung nachhaltig zu bekämpfen und dass Kooperationen aller Ebenen dafür notwendig sind – sei es in Form von EU-weiten Beratungsangeboten, mithilfe des Nationalen Aktionsplans gegen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit des BMAS oder durch den Austausch guter Beispiele aus europäischen Städten. „Der Schutz von Arbeitsrechten, die Förderung von Guter Arbeit und die Bekämpfung der Ausbeutung müssen fester Bestandteil der politischen Agenda bleiben und werden – in Berlin, in Deutschland und in ganz Europa“, so Margrit Zauner zum Abschluss der Konferenz.
Margrit Zauner wies in Ihren Schlussworten nochmals auf die Bedeutung des Themas und die Handlungsfelder hin und bedankte sich bei allen Referent*innen und Teilnehmenden für den konstruktiven Austausch auf der diesjährigen Konferenz.
Das Programm der Veranstaltung, die Ergebnisse der Labs sowie der Vortrag von Dr. Jan Cremers stehen Ihnen im Downloadbereich zur Verfügung; die Aufzeichnung des Livestreams ist auf Youtube abrufbar.